Am Donnerstag jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Steiermark zum 80. Mal. In der Nacht auf den 9. Mai 1945 erreichte die Rote Armee die steirische Landeshauptstadt Graz und somit auch das Ende des Krieges in der Region. MeinBezirk hat mit der Historikerin Barbara Stelzl-Marx über die prägenden und turbulenten Tage jener Zeit gesprochen.
GRAZ/STEIERMARK. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 übernahm die Rote Armee Graz, was das endgültige Ende des Zweiten Weltkriegs in der Steiermark bedeutete. Diese Stadt war die letzte in Österreich, die unter Kontrolle der Alliierten fiel. Barbara Stelzl-Marx, Direktorin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, kommentiert: „In den letzten Tagen war es mehr ein Zustand des Wartens. Die Menschen wussten nicht, wer sie befreien würde.“ Viele hofften, die britische Armee würde sie erreichen, aber deren Fortschritt wurde verzögert.
Fünf Mächte besetzten die Steiermark
In der Nacht auf den 9. Mai übernahm die Rote Armee Graz fast kampflos um 2 Uhr morgens. Bereits Tage zuvor hatte eine provisorische Übergangsregierung die Stadt geleitet. Während der ersten Wochen der Besatzung war die Steiermark ein Sonderfall, wie Stelzl-Marx erläutert: „Für elf Wochen war die Steiermark fünffach besetzt. Der Großteil war von der Roten Armee eingenommen, im Süden kämpften Tito-Partisanen und Bulgaren, während im Obersteirer Raum bis Judenburg Briten und im Norden Amerikaner präsent waren.“ Im Juli 1945 wurde die gesamte Steiermark dann britisch.
Phase der verdichteten Gewalt
Die Monate vor und nach dem Kriegsende waren geprägt von intensiver Gewalt und Unsicherheit. „Von Ende März, als die Rote Armee österreichischen Boden betrat, bis zum 8. Mai, kam es auch in der Steiermark zu Endphaseverbrechen.“ Historikerin Stelzl-Marx führt die Ermordung ungarischer Juden im Lager Liebenau in Graz und am Präbichlpass in Eisenerz als Beispiele für die Verbrechen des NS-Regimes an.
Die Ankunft der Roten Armee brachte jedoch auch Herausforderungen für die Zivilbevölkerung. Plünderungen und Gewalt waren unter ihrer Besatzung häufiger als unter den anderen Alliierten. „Dies führte dazu, dass Abtreibungen nach Vergewaltigungen in Österreich legalisiert wurden“, sagt Stelzl-Marx und weist zugleich auf positive Aspekte hin, wie die freundliche Behandlung der russischen Soldaten gegenüber Kindern.
Nahrungsknappheit und Wohnungsnot
Trotz der schwierigen Umstände stellte das Kriegsende für viele eine Befreiung dar. Der tägliche Alltag begann sich langsam zu normalisieren, jedoch herrschte in den Städten starke Lebensmittelknappheit. Die räumlichen Zerstörungen durch Luftangriffe trugen zur Wohnungsnot bei, da viele Besatzungssoldaten und befreite Gefangene eine Unterkunft benötigten. Dies stellte eine enorme Herausforderung für die Bevölkerung dar.
Heute, 80 Jahre später, gibt es zahlreiche Erinnerungsstätten in Österreich, die an die Geschehnisse zwischen 1938 und 1945 erinnern. Ein Beispiel sind die Stolpersteine, die in Städten wie Bruck an der Mur, Frohnleiten, Graz und anderen Orten installiert wurden, um das Schicksal der Menschen, die unter dem Nationalsozialismus litten, zu gedenken. Vor dem bevorstehenden Jubiläum wurden diese Steine weitgehend von Freiwilligen gereinigt, um die Erinnerung wachzuhalten.
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