Akademie-Rektor Hartle: Warum Unsere Herausforderungen Grundlegend Sind!


APA: Lassen Sie uns mit den neuesten Entwicklungen beginnen: Letztens sorgte nicht die Akademie, sondern die Angewandte für Schlagzeilen. Rektorin Petra Schaper Rinkel hat überraschend ihren Rücktritt erklärt. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit der Kollegin erlebt? Ihre strategische Ausrichtung der Universität, die als Grund für den Rücktritt genannt wird, schien mir der der Akademie recht ähnlich.

Johan Frederik Hartle: Zu den internen Angelegenheiten der Angewandten kann ich natürlich nichts sagen, bedauere jedoch sehr, dass das Ende so abrupt gekommen ist, und meine Gedanken sind bei der Kollegin. Bezüglich der strategischen Ausrichtung: Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind auch für uns unerlässlich. Die Akademie ist jedoch eine Kunstakademie und technologische Innovation hat bei uns stets eine andere Rolle gespielt als an der Angewandten.

APA: Werden grundsätzliche Debatten über die Zukunft und die Aufgaben der Universitäten unter einer FPÖ-geführten Regierung zunehmen? Wie verfolgen Sie diese Entwicklungen?

Hartle: Die österreichischen Universitäten haben klare Prinzipien. Im Universitätsgesetz wird von der Verantwortung für die „gedeihliche Entwicklung der Gesellschaft und der natürlichen Umwelt“ gesprochen, was auch eine Verpflichtung zu Grundrechten und zur evidenzbasierten Kulturpolitik bedeutet. Wir hoffen, dass diese Prinzipien für die FPÖ und die ÖVP, die im Wahlkampf oft wissenschaftsfeindlich auftraten, weiterhin relevant bleiben. Was meine persönlichen Gefühle betrifft: Das Rektorat der Akademie hat vor einigen Monaten die Situation der ungarischen Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen analysiert. Glauben Sie mir, meine Gefühle zu dieser Situation übersteigen Entsetzen und Bedauern; so möchte ich nicht arbeiten.

APA: Die Universitäten haben kürzlich mit der Politik erfolgreich verhandelt: Über 30 Prozent mehr im globalen Universitätsbudget – das klingt beeindruckend. Wie viel hat die Akademie bei den Leistungsverhandlungen erhalten?

  • Die Akademie hat 28,2 Prozent zusätzlichen Budgetzuwachs erhalten.

Hartle: Wir werden damit gut fortfahren können. Es ist jedoch wichtig zu beachten: Das klingt mehr als es ist. Bei Rekordbudgets müssen wir die Rekordinflation berücksichtigen. Mit der Inflation der letzten drei Jahre betrachtet ergibt sich ein reales Wachstum von 5 Prozent. Das ist positiv und ermöglicht uns eine aktive Gestaltung.

APA: Die frühere „Ballonhalle“ im Arsenal soll zu einem Exzellenzzentrum für Konservierung und Materialwissenschaft in der Kunst umgebaut werden. Der Baubeginn ist für Ende 2025 und die Betriebsaufnahme für das Wintersemester 2027 geplant. Ist das Projekt auf Kurs?

Hartle: Ja, wir gehen davon aus, dass es im zweiten Quartal zur Baufreigabe kommen kann. Das wäre ein bedeutender Moment für uns. Die Zusammenarbeit mit dem Generalplaner und der Bundesimmobiliengesellschaft verläuft intensiv, leidenschaftlich, aber konstruktiv.

APA: Bei Ihrer Wiederwahl 2022 betonten Sie, dass es Ihnen wichtig ist, dass „die Akademie mit ihren Studierenden und Mitarbeiter:innen die öffentlichen Diskurse mitgestaltet“. Angesichts der Prognosen scheinen diese Voraussetzungen immer schwieriger zu werden. Wie sehen Sie die Zukunft?

Hartle: Es stimmt, dass die oft beschworene Polykrise unseren Universitätsalltag belastet und eine gewisse Verunsicherung besteht, wie starke intellektuelle Positionen Einfluss nehmen und Diskurse gestalten können. Gleichzeitig bleibt das Grundprinzip der „rekursiven Universität“, die durch lebendige Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext weiterentwickelt wird, für uns wertvoll. Dieses Prinzip werden wir 2025 mit einigen Akzenten weiterprofilieren.

APA: Was meinen Sie damit konkret?

Hartle: Wir werden Formate anbieten, um unsere Positionen und Diskussionen zum Nahost-Konflikt zu rationalisieren. Momentan bereiten wir Trialog-Formate vor, die es uns erlauben, unterschiedliche Perspektiven miteinander ins Gespräch zu bringen. So könnten spezifisch palästinensische und spezifisch israelische Positionen im Dialog mit einem Publikum erörtert werden, um herauszufinden, was möglich ist und was nicht.

Zusätzlich haben wir unser regelmäßiges Format am Schillerplatz, „Platz nehmen“, wo wir den Dialog sowohl mit einem geladenen als auch mit einem zufälligen Publikum suchen. In diesem Rahmen werden wir auch historisch-politische Fragen behandeln, die sich um das doppelte Erbe unserer Gebäude drehen – der Schillerplatz war in den 1930er-Jahren ein sehr problematischer Raum, an dem proaktives antijüdisches Verhalten von Mitgliedern der Akademie zu einer judenfreien Zone führen sollte. Auf der anderen Seite steht unser Gebäude in der Kurzbauergasse auf einem Terrain, dass auch die Völkerschauen beheimatet hat. Diese historische Kontamination ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

APA: Bildungsstatistiken zeigen, dass Österreich immer weniger Schulabgänger mit soliden Schreib- und Lesekompetenzen hervorbringt. Welche Auswirkungen wird das in wenigen Jahren an den Universitäten haben?

Hartle: Aufgrund der politischen Trennung zwischen Bildungspolitik und Wissenschaftspolitik können wir diese Probleme nicht direkt beeinflussen, obwohl wir Initiativen haben, die an Schulen für die Angebote an Kunstuniversitäten sensibilisieren. Uns steht eine große Anzahl an Bewerber:innen zur Verfügung, sodass die Problematik mangelnder Kompetenzen nicht direkt ins Gewicht fallen wird. Zudem kann man bei uns ohne Matura studieren, sofern die besondere künstlerische Eignung nachgewiesen wird. Daher ist dieses Thema für uns nicht so dringend wie für andere Universitäten.

APA: Ihre Argumentation kommt stark aus der Perspektive der Akademie. Aber ist dies nicht eine besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklung, der wir tatenlos zusehen?

Hartle: Aus einer privaten Perspektive muss ich sagen, dass ich oft überrascht bin, wie

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