Alser Straße: Thomas Wurzer – Der letzte Schneider für Gürtel und Hosenträger


Thomas Wurzer hat vielleicht den einzigartigsten Beruf in Wien: Gürtel- und Hosenträgerschneider. Bis heute bereut er nicht, in der dritten Generation die „Kallinger“ Manufaktur auf der Alser Straße übernommen zu haben. Dort bietet er mehr als 600 verschiedene Lederprodukte an und freut sich stets, wenn er seine Handwerkskunst in den Wiener Geschäften sieht.

WIEN/JOSEFSTADT/ALSERGRUND. „Was, damit kann man Geld verdienen?“, fragen sich viele, wenn Thomas Wurzer von seinem Beruf erzählt. In seiner Werkstatt an der Alser Straße produziert der ausgebildete Betriebswirt seit fast 17 Jahren ausschließlich Gürtel und Hosenträger. Das Familienunternehmen „Kallinger“ existiert jedoch schon seit längerer Zeit: „Meine Großmutter hat angefangen, mein Vater war der Zweite und ich bin der Dritte“, erläutert Wurzer die Inhaber-Geschichte des Unternehmens.

Früher konnte er sich nicht vorstellen, einmal den Familienbetrieb zu übernehmen. Als sein Vater in den Ruhestand ging, war es für Wurzer „jetzt oder nie“. Damals war er 27 Jahre alt und bereut es bis heute nicht, den Schritt gewagt zu haben.

In seiner Produktionsstätte finden sich über 600 verschiedene Design.  | Foto: Severin Wurnig

„Ich arbeite immer mit einem Lächeln und zeige meinen Betrieb auch gerne her“, betont er. Immerhin ist sein Unternehmen eine Seltenheit. Laut Wurzer gibt es keine anderen, die ausschließlich auf die Nischenprodukte Gürtel und Hosenträger spezialisiert sind.

Trend zu handgemachten Produkten

Wie produziert er also seine Produkte? Das Leder erhält der Handwerker in großen Rollen und auf Paletten oder kauft es selbst auf Messen in ganz Europa ein. Dann wird zugeschnitten, gestanzt und genäht – viele kleine Schritte. Theoretisch könnte Wurzer – der noch zwei Mitarbeiter zur Unterstützung hat – auch noch so arbeiten wie seine Großmutter damals, erzählt er und zeigt ein altes Stanzeisen: „Da saß man wirklich, nahm ein Stück Leder und ein Stanzeisen in die Hand, haute und haute, bis man 1.000 Teile hatte“, schildert der Experte.

Theoretisch könnte Wurzer auch heute noch die Lederprodukte wie seine Großmutter herstellen.  | Foto: Severin Wurnig

Während im 15. Bezirk vor Kurzem das „Tobby“ – ein Traditionsunternehmen für Schnürsenkel sowie Gürtel und Hosenträger – Konkurs anmelden musste (MeinBezirk berichtete, siehe unten), steht „Kallinger“ wirtschaftlich gut da. „Ich mache mir keine Sorgen um mein Unternehmen“, sagt Wurzer. Dennoch spürt man die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und die Preissteigerungen der letzten Jahre auch auf der Alser Straße. Laut dem Inhaber sei dies jedoch normal: „Jeder sucht nach den Umsätzen, die er von früher gewohnt war.“

In seiner Produktionsstätte finden sich über 600 verschiedene Design.  | Foto: Severin Wurnig

Dennoch ist der Unternehmer überzeugt von seinen Produkten. Immerhin wächst die Nachfrage nach langlebigen und nachhaltigen Erzeugnissen unter den Konsumenten. „Wir erhalten viele positive Rückmeldungen“, ist Wurzer überzeugt. Er hat das Gefühl, dass der Trend zu handgemachten Produkten weiter zunehmen wird.

„Kallinger’s“ kleine Fangemeinde

Obwohl „Kallinger“ hauptsächlich darauf spezialisiert ist, den Handel zu beliefern, sind auch Privatpersonen willkommen. Einen klassischen Laden findet man allerdings nicht in der Alser Straße 32/2: „Es ist eigentlich eine kleine Produktionsstätte“, beschreibt der Inhaber sein Unternehmen.

Das Kallinger versorgt seit fast 80 Jahren Privatpersonen und den Handel mit seiner Lederware.  | Foto: Severin Wurnig

Im Laufe der Zeit begannen Freunde, Bekannte und Verwandte, ihre Gürtel oder Hosenträger direkt in der Manufaktur zu kaufen. Dadurch verbreitete sich der Name „Kallinger“ und eine kleine Fangemeinde entstand. Besonders Menschen mit speziellen Anforderungen kommen heute schon ins Geschäft. Wer sich bei einem der seltensten Handwerker Wiens umsehen möchte, kann von Montag bis Donnerstag von 7 bis 15 Uhr das „Kallinger“ besuchen.

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