Auftritt in Wien: Hochrangige FPÖ-Politiker kritisieren ÖVP, Migranten und die EU.


FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte soeben die Verhandlungen mit der ÖVP bekannt gegeben, als heimlich Aufnahmen aus einem Simmeringer Lokal auftauchten. Darauf sind die freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Harald Stefan und Markus Tschank zu sehen. Sie äußern scharfe Kritik am zukünftigen Koalitionspartner und nehmen Migranten, die EU sowie den Klimaschutz ins Visier. Seitens der FPÖ wird von „Stasi-Methoden“ und „Spitzeljournalismus“ gesprochen.

WIEN/SIMMERING. Eine mögliche FPÖ-geführte Regierung in Österreich sorgt auch im europäischen Ausland für mediale Aufmerksamkeit, insbesondere in Frankreich. Dort strahlte der öffentlich-rechtliche Sender France Télévisions kürzlich geheime Aufnahmen aus, die in einem Simmeringer Lokal gemacht wurden.

Die Erstberichterstattung kam von „Der Standard“. Es handelt sich um ein Stammtisch-Treffen der FPÖ Simmering, bei dem die Wiener Nationalratsabgeordneten Harald Stefan und Markus Tschank als Redner auftraten. Unbemerkt von den Beteiligten waren Journalisten des französischen Senders ebenfalls anwesend und filmten die Diskussion.

Der Wiener Nationalratsabgeordnete Harald Stefan (FPÖ). | Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

In den Aufnahmen ist zu hören, wie Stefan und Tschank vehement gegen die ÖVP wettern. Besonders brisant ist, dass die Aufzeichnung vom 8. Jänner stammen soll, nur einen Tag nachdem FPÖ-Chef Herbert Kickl die Absicht erklärt hatte, Gespräche mit der ÖVP zu führen, und das unter strengen Auflagen der FPÖ. Auch Migrantinnen und Migranten wurden in den Reden beschimpft, während eine Kooperation mit der Taliban als denkbar erachtet wurde.

„Regierungsverbot“

Laut dem Bericht äußert Stefan, dass es wichtig war, der ÖVP zu vermitteln, „sie brauchen sich ned deppert spielen“. Er fordert ein „Regierungsverbot“ für die ÖVP und will diese auf die „Oppositionsbank“ schicken.

Auch der Wiener Markus Tschank (FPÖ) sitzt im Nationalrat. | Foto: HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Die einstige Großpartei sei mittlerweile in einem „jämmerlichen Zustand“. Sie strebe nach Macht und wolle ihre Positionen halten. „Wir können ruhig die Latte ein bisserl höher hängen und zeigen, dass wir die stärkere Partei sind, die ihre Inhalte durchsetzen kann“, wird im Video zitiert.

Migranten „vor die Tür setzen“

Tschank widmet sich dem Thema Migration. Migrantinnen und Migranten müsse man „mit aller Rigorosität, mit aller Staatsgewalt vor die Türe setzen“. Stefan ergänzt: „Es muss für diese Leute möglichst unangenehm sein. Dann kommen sie auch nicht, weil das ist der Hauptschmäh.“ Teile dieser Aussagen wurden dann für den TV-Bericht im französischen Fernsehen verwendet:

„Der Standard“ stellt fest, dass man die Originalaufnahmen des Senders France Télévisions gesehen hat. In diesen würden die beiden FPÖ-Politiker noch zu vielen weiteren Themen Stellung nehmen, auch zur Europäischen Union. Stefan bezeichnet diese als „Wahnsinn“, da sie einen Wust von Gesetzen produziere, die sich teils widersprechen. Ein Austritt sei zwar „keine echte Option“, aber es sei wichtig, dass nicht „blödsinnige Wähler etwas verändern können“. Vielmehr gehöre Lobbyarbeit in Brüssel zu den Hauptanliegen: „Ich will ja nicht, dass irgendwelche blödsinnigen Wähler Einfluss nehmen können“, erklärt Stefan, und deutet auf mögliche Bestechlichkeit bei EU-Entscheidern hin.

„Wir kriegen letztes Gesindel“

Am selben Abend wurde auch die Situation im Nahen Osten angesprochen. Stefan schuf einen Bezug zur Taliban in Afghanistan: „In der Stadt hat man das gut im Griff. Wenn sich jemand in der Stadt falsch verhält, wird er aufs Land geschickt, wo regionale Stammeshäuptlinge das kontrollieren. Und wenn einer da nicht spurt, wird er nach Europa geschickt. Das heißt, wir bekommen das letzte Gesindel.“ Ein „normaler Afghane“ sei nicht das, „was bei uns herumläuft“, versichert Stefan.

Tschank und Stefan äußerten ferner, dass es Pläne gebe, der Taliban Geld anzubieten, um geflüchtete Menschen aus Österreich zurückzunehmen. Obwohl man diesen Handel ungern mit dem Regime machen würde, müsse Pragmatismus herrschen: „Jeder dieser messerstechenden Triebtätern, der nicht mehr in unserem Land ist, ist mir viel Geld wert“.

Ein Deal mit der Taliban zur Rückführung von Geflüchteten aus Österreich scheint für die FPÖ Politiker kein Problem darzustellen. | Foto: - / AFP / picturedesk.com

Stefan wirft Flüchtlingen vor, bewusst zu wählen, in welches Land sie flüchten. Asylwerber seien, bis auf wenige Ausnahmen, „keine echten Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsflüchtlinge“. Tschank fügt hinzu, dass Männer aus Marokko und Tunesien nach Österreich kämen, „weil sie plötzlich draufkommen, dass sie homosexuell sind oder römisch-katholisch und dann aufgehängt oder verbrannt werden, und das hat sich dort verselbstständigt.“

Er zieht auch in Erwägung, die Europäische Menschenrechtskonvention zu brechen, die „leider im Verfassungsrang ist“. Diese müsse „entweder ganz abgeschafft oder ergänzt werden durch ein entsprechendes Zusatzprotokoll.“

Budgetloch von Nutzen

Generell sei die „Großwetterlage“ für die FPÖ derzeit günstig. Hintergrund ist auch die Lockerung der Community-Richtlinien bei Facebook, was den Faktencheckern weniger Einfluss verleiht. Stefan sieht ein Ende der „Wokeness“ und der „Klimawende“, die seiner Meinung nach nur ein „Schmäh“ gewesen wären. Endlich könnten die Menschen erleben, dass das „Normale“ zurückkehrt.

FPÖ-Chef Herbert Kickl (r.) und ÖVP-Obmann Christian Stocker sagten dem milliardenschweren Budgetdefizit noch zuletzt den Kampf an. | Foto: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Das riesige Budgetloch sei kein Hindernis, sondern eine Chance. „Wenn man erklärt, dass wir die nächsten drei Jahre kein Geld haben und keine Geschenke machen können, werden die Leute verstehen, dass jetzt Förderungen gestrichen werden müssen“, sagt Tschank.

„Stasi-Methoden“ und „Spitzeljournalismus“

Auf Nachfrage von „Der Standard“ zur Aufführung der Aufnahmen erklärte die Pressestelle der FPÖ, dass man „bei einem Stammtisch natürlich teilweise überspitzt formuliert“ habe. Man beziehe sich jedoch auf die „tagtägliche Berichterstattung über Kriminalität und die für große Teile der Bevölkerung undurchsichtige Gesetzgebung der EU-Bürokratie sowie auf weitere Themen, die bei den Menschen auf großes Unverständnis stoßen“. Die Vorwürfe des Berichts seien demgegenüber aus dem Kontext gerissen, und das Publikum könnte „sowohl die Aussagen als auch die Stilmittel eines Stammtisches richtig einordnen.“

Die FPÖ hat mittlerweile öffentlich reagiert, und zwar über ihre Wiener Landespartei. Man spricht von „Stasi-Methoden“ bezüglich der heimlichen Filmaufnahmen für die Berichterstattung. Es stehe „der Verdacht im Raum, dass ‚Der Standard‘ bewusst rechtswidrig erstelltes Material Dritter für seine Berichterstattung verwendet. Offenbar wurden diesmal angebliche Interessenten eingeschleust, um heimlich Wortmeldungen aufzuzeichnen und damit vorsätzlich Persönlichkeitsrechte der Anwesenden grob zu verletzen“, erklärte die Partei in einer Mitteilung.

Die FPÖ Wien geht mit dem Medienhaus "Der Standard" auf Konfrontationskurs. | Foto: Weingartner-Foto / picturedesk.com

Man verurteilt diese Form des „Spitzeljournalismus“. Der Landesparteisekretär der FPÖ Wien, Lukas Bruckner, erklärte, dass man „jegliche Zusammenarbeit mit Medien, die sich bewusst illegal Material bedienen, um der FPÖ zu schaden, kategorisch ausschließt“. Zudem stellt er klar: „Solche Methoden haben in einem demokratischen Rechtsstaat nichts zu suchen und gefährden massiv das Vertrauen in die Medienlandschaft.“

„FPÖ zeigt wahres Gesicht“

Bis zum Redaktionsschluss von MeinBezirk am Dienstagabend gab es bereits erste Stimmen aus der potentiellen Opposition, sofern die Koalition unter FPÖ und ÖVP zustande kommt. Der Sprecher der Grünen für Rechtsextremismus, Lukas Hammer, kommentiert: „An Stammtischen, wenn sie glauben, unter sich zu sein, offenbaren die beiden FPÖ-Politiker ihre wahre, menschenverachtende Fratze. Von Taliban-Verherrlichung über gewaltsame Abschiebungsfantasien bis hin zur Abschaffung der Menschenrechte – es ist einfach nur widerlich und abstoßend, was Abgeordnete einer Partei von sich geben, die Regierungsverantwortung übernehmen will.“

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