„Die Sprache der Täter: Was wir aus Kickls Worten lernen können“


Am Donnerstag veröffentlichte Martin Prinz seinen Roman „Die letzten Tage“, in dem er die Protokolle und Zeugenaussagen eines österreichischen Volksgerichtshofprozesses von 1945-48 beleuchtet. Im Jahr 2014 wurde er erstmals mit den Schrecken der letzten Kriegstage um Reichenau konfrontiert, als der Vormarsch der Roten Armee zum Stillstand kam und Standgerichte zahlreiche Todesurteile fällten. Der Druck, „da muss man was daraus machen!“, wurde an ihn herangetragen, aber die Frage war: wie?

Prinz beschreibt es so:

  • „Was passiert zwischen Wirklichkeit und Vorstellung?“
  • Diese Frage wird in jedem meiner Bücher behandelt.
  • Ich versuche, in das „Dazwischen“ hineinzubohren.

Er begann 2023 mit der Aktenstudie, vor tausenden Seiten einer mit Akribie geführten Prozessführung. Der Richter begab sich bald nach dem Prozess in eine Auszeit; heute würde man es Burn-out nennen. 1948 war der Druck der Besatzungsmächte nicht mehr so groß, und der Fokus lag auf gemeinsamer Wiederherstellung.

Das Geschehen in Schwarzau im Gebirge und Reichenau an der Rax im April 1945 zählt zu den Endphase-Verbrechen. Folgendes geschah:

  • Das NS-Regime zeigte seine Macht mit aller Härte.
  • 29 Morde wurden vom „Volkssturmsonderkommando der Kreisleitung Neunkirchen“ verübt.
  • Am Tag vor der Ausrufung der Republik Österreich ereigneten sich acht Exekutionen.

Prinz betont, dass man vorsichtig mit blutrünstigen Darstellungen umgehen sollte: „Ich habe mich entschieden: Ich muss das Geschehen anhand der Sprache dingfest machen.“

Der Fokus des Autors liegt auf der Sprache in den Protokollen:

  • Eine Sprache, die Schuldige benennt, aber selbst keine Verantwortung übernehmen will.
  • Eine Passivsprache, die die entscheidenden Ereignisse ständig umkreist.
  • Eine „Sprache der Verantwortungslosigkeit“, die in der heutigen Redeweise erneut aufkommt.

Er stellt fest, dass diese sprachlichen Muster auch in aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen erkennbar sind und warnt, dass in unserer Zeit moralisch aufgeladene Sprache nicht ausreichend hinterfragt wird.

In einer Zeit einfacher Lösungen für komplexe Probleme sieht der Autor die Aufgabe der Literatur darin, zu hinterfragen und zu differenzieren:

  • Literatur sollte einen Dialog in der Sprache fördern.
  • Justitia darf nicht taub sein; es geht darum, zuzuhören.
  • Nur durch aufgedeckte Widersprüche kann man zwischen wahr und falsch unterscheiden.

Er stellt fest, dass trotz des Erkennens der Mechanismen der Entmenschlichung die omnipräsente Frage nach dem „Warum“ bleibt.

Diese Schwierigkeiten hinterließen tiefe Spuren in Prinz‘ Psyche, und die dokumentierten Vorfälle verfolgten ihn bis in seine Träume, „inklusive meiner eigenen Exekution“. Ein weiterer fesselnder Stoff betrifft das Leben von Johann Kastenberger, dem „Pumpgun-Ronnie“, dessen Geschichte 2002 in Prinz‘ Romandebüt „Der Räuber“ aufgegriffen wurde. Der Film wurde 2009 von Benjamin Heisenberg adaptiert, und Teile wurden beim Vienna City Marathon gedreht. Ein US-Remake ist in Arbeit, während das Buch im Herbst erneut von Jung und Jung aufgelegt wird.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E – Martin Prinz: „Die letzten Tage“, Verlag Jung und Jung, 272 Seiten, 24 Euro, Buchpräsentation: 5.3., 19 Uhr, Literaturhaus Wien, 7., Seidengasse 13)

Zusammenfassend thematisiert Martin Prinz in „Die letzten Tage“ herausfordernde Fragen zur Verantwortung und den Mechanismen der Entmenschlichung. Trotz der historischen Tiefe bleibt die essenzielle Frage nach dem Warum unerklärt.

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