„Eigentlich versuche ich, mit jedem Film ein bisschen mehr zu verstehen, wie die Menschheit so tickt, wie wir insgesamt funktionieren. Das kann man sich von vielen Winkeln aus anschauen, und wenn man sich das aus einem Detail heraus anschaut, ist es oft aussagekräftiger, als wenn man versucht, ein großes Ganzes zu verstehen – wovon ich mittlerweile auch abgekommen bin“, sagt der 52-jährige Wiener vor seinem Abflug im Gespräch mit der APA.
„Der Menschheit als Gesamtheit ist einfach nicht zu trauen. Auf die kann man sich nicht verlassen. Es wirkt ein bisschen so, als ob die Menschheit insgesamt etwas Selbstzerstörerisches an sich hätte und als Gesamtheit überhaupt nicht funktioniert.“
„Menschen können individuell durchaus etwas bewegen, aber sobald es die große Masse wird, wo man kooperieren müsste mit so vielen anderen, die einem fern sind, scheint das nicht zu funktionieren. Das ist offenbar zu abstrakt“, analysiert Geyrhalter eine Entwicklung, die er mit vielen Filmen begleitet hat.
- Aktuelles Projekt: „Molln“
- Thema: Auseinandersetzungen rund um Öl- und Gasbohrung in Molln, Oberösterreich
- Kontakt mit:
- Bohrfirma
- Gegnern der Bohrung
„Ich mag die Menschen sowieso immer sehr – aber als Individuen, nicht als Gesamtheit.“
Der Fertigstellungstermin von „Molln“ ist ungewiss und hängt von den Entwicklungen vor Ort ab. „Ich hab schon oft Konzepte komplett umgekrempelt, um sie der Wirklichkeit anzupassen. Es gibt viele gescriptete Dokumentarfilme, aber ich lasse mich gerne überraschen. Im Moment bin ich sehr zufrieden, dass beiden Filme in einer guten Phase sind. ‚Melt‘ wird auf jeden Fall 2025 fertig.“
„Bei den Dreharbeiten in der Antarktis, an die sich dann noch ein letzter Dreh im März in Japan anschließen wird, möchte ich dokumentieren, wie man auf einer Forschungsstation mit den extremen Wetterbedingungen zurechtkommt. Das Thema ist das Leben und der Alltag mit Schnee.“
„Melt“ ist ein archivarischer Film mit Gegenwartsbezug, der die schwindenden Schneelandschaften thematisiert. „Es ist eine Hommage an Schnee und Eis, und niemand wird aus dem Kino rausgehen, ohne verstanden zu haben, dass das, was man hier sieht, im Verschwinden ist.“
Die Filme von Geyrhalter kommen ohne Kommentare aus und „Melt“ wird besonders stark im Unpolitischen sein. „Die politische Botschaft liegt im nicht Politischen. Ich finde, es ist die Aufgabe eines Filmes, Interesse zu wecken und das Publikum dazu zu animieren, selbst zu recherchieren.“
Geyrhalter ist überzeugt, dass ein Bewusstseinswandel unbedingt notwendig ist. „Wir haben uns zu lange darauf verlassen, dass alles gut ist, aber die Realität holt uns ein.“
- Notwendiges Umdenken:
- Weniger Energie
- Weniger Konsum
- Verzichten und Teilen
Seine Produktionsfirma produziert bereits ihren Strom mit einer eigenen Photovoltaikanlage und Green Filming wird zunehmend zur Norm. Allerdings verweisen gesellschaftliche Herausforderungen weit über Emissionen hinaus:
- Soziale Folgen des Klimawandels – hier gibt es keinen Plan.
- Die Migration wird zunehmen.
- Bisher große Themen wie „Wir gegen die Anderen“ werden verstärkt werden.
Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA.
SCHLUSSFOLGERUNG: Geyrhalter beleuchtet in seinen Filmen die Schwierigkeiten der Menschheit, im Großen zu funktionieren, während er gleichzeitig die individuelle Verantwortung betont. Die Herausforderungen des Klimawandels verlangen nach einem dringenden Umdenken.