Entdecken Sie Wien: Die zeitlose Perspektive der Horten-Schau!


Die Werke von Wigand (1770-1846), die in eleganten mit Perlmutt verzierten Kassetten präsentiert wurden, sind exquisite Aquarelle, deren meist nur wenige Zentimeter große Darstellungen überwiegend panoramatische Ausblicke auf die Stadt bieten. Sie waren im Biedermeier-Zeitalter ein „Must-Have“ für wohlhabende Bürger. Wigands Arbeiten zeichnen sich durch eine besondere atmosphärische Darstellung aus, wobei die topografische Genauigkeit oft zugunsten der künstlerischen Freiheit hintangestellt wird. „Wigand hat sich Freiheiten genommen, mal eine Kirche höher gemacht, damit sie besser aus dem Stadtbild herauskommt“, erklärt Kurator Rolf H. Johannsen in einem Interview mit der APA. Seine Motive repräsentieren modernste Bauwerke seiner Zeit: Beispielsweise war die Kettenbrücke ein absolutes Novum, und das Burgtor, das 1825 fertiggestellt wurde, zeigt den architektonischen Wandel in Wien.

Im Gegensatz dazu zeigt Alt (1812-1905) einige verwinkelte Hofsituationen, die das Interesse seiner Käufer weckten. Seine Aquarellmalerei erfasst Wien in einer Zeit des Umbruchs und der Urbanisierung. Werke von Wigand und Alt aus dem Horten-Fundus wurden für die Intervention „Wien, Wien, nur du allein“ herangezogen, die zeitgenössische Kunstschaffende einlädt, sich auf unterschiedliche Weise mit der Sammlung auseinanderzusetzen. Hier kommt der Fotograf Oláh (geb. 1971) ins Spiel.

Oláh hat die Orte, die in den Bildern von Wigand und Alt festgehalten sind, besucht und zeigt sie in ihrem heutigen Zustand. „Ich fotografiere auf analogem Filmmaterial, mit einer Fachkamera auf Großbildmaterial. Ich retuschiere und manipuliere das Bild nicht, verzichte auf Ausschnitte. Wir sehen tatsächlich den Zeitpunkt der Aufnahme“, erläutert Oláh. Die Perspektiven entsprechen jenen in den Werken von Wigand und Alt. Jede seiner Fotografien ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Ort.

Wigand belebte den Vordergrund seiner Szenen oft mit Staffagefiguren, während Oláh diesen Ansatz nicht verfolgt. „Man muss die Situation wiedererkennen“, hebt er hervor. So enthält zum Beispiel Wigands Darstellung einer Brücke über den Donaukanal ein Schiff. Oláh recherchierte den Fahrplan des Twin City Liners und brachte dieses in die Fotografie der Nachfolgebrücke, anstelle des handbetriebenen Bootes aus Wigands Vorbild. Diese Veränderung zeigt, dass heute die Brücke ein touristischer Anziehungspunkt ist, mehr als ein Handelsweg.

Die Fotografien halten sowohl Orte fest, die über die Jahrhunderte nur wenig verändert wurden, als auch solche, die bis zur Unkenntlichkeit umgebaut wurden. Ein Beispiel ist die Darstellung einer Eisengießerei, die Alt von seinem Fenster aus malte. Oláh fotografierte aus demselben Fenster und zeigt, dass an der Stelle des ehemaligen Industrieunternehmens nun ein monotoner 1970er-Jahre-Bau steht, an dessen Wand ein Graffiti mit der Aufschrift „Heute fahre ich swartz“ prangt.

Johannsen vergleicht die Arbeiten und sagt: „Wigand zeigt Momentaufnahmen der Stadt, und das macht auch Oláh.“ Oláh möchte sich nicht von modernen Elementen wie Fahrrädern oder Graffiti stören lassen. Er besitzt die Fähigkeit, Details zu erfassen, die zunächst kühl und distanziert erscheinen, aber bei näherer Betrachtung großartig sind. Selbst Einheimische könnten im Vergleich der Arbeiten tiefere Einsichten entdecken. Ein hervorragendes Beispiel ist die Ansicht des Karlsplatzes, wo man zunächst die Karlskirche sieht und glaubt, es habe sich wenig verändert. Doch bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass viel zusätzliches Stadtmobiliar hinzugekommen ist.

(S E R V I C E – „Wien, Wien, nur du allein. Wigand – Alt – Oláh“ in der Heidi Horten Collection, Hanuschgasse 3, 1010 Wien, 30. April bis 15. Oktober, täglich außer Dienstag von 11-19 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr; Katalog zur Ausstellung im Verlag für moderne Kunst, ISBN 978-3-99153-157-9)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verbindung von Wigands, Alts und Oláhs Perspektiven auf Wien nicht nur eine Hommage an die künstlerische Vergangenheit ist, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit der städtischen Entwicklung und dem Wandel im Zeitverlauf darstellt. Ein eindrucksvolles Projekt, das sowohl Geschichte als auch zeitgenössische Elemente unter einem gemeinsamen Dach zusammenbringt.

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