Eine starke internationale Präsenz im nordbosnischen Distrikt Brčko könnte das Leben in der westlichen Hälfte der Republika Srpska, einschließlich ihrer Hauptstadt Banja Luka, erheblich destabilisieren. Laut dem ehemaligen Hohen Beauftragten Valentin Inzko würde dieser Teil der Region seine direkte Landverbindung zu Serbien verlieren. Um einer möglichen Kriegsgefahr entgegenzuwirken, plädiert Inzko für eine „stärkere Präsenz der EUFOR-Soldaten im ganzen Land“. Nach dem Krieg waren bis zu 60.000 Soldaten in Bosnien-Herzegowina stationiert. Aktuell sind etwa 1.000 Soldaten vor Ort, wobei Österreich mit 227 Soldaten den größten Truppensteller stellt.
Inzko betont, dass eine Politik des Nachgebens gegenüber den politischen Herausforderungen in Bosnien, insbesondere in Bezug auf Milorad Dodik, unbedingt vermieden werden sollte. Er erklärt: „Diesen Fehler haben wir schon zu oft begangen, und dieses Mal müssen wir uns klar abgrenzen“. Er warnt davor, dass Dodik von Konflikten und Drohungen lebt und besänftigt werden muss, damit er nicht die Stabilität der Region gefährdet. Inzko, der bereits in den 1990er Jahren als österreichischer Botschafter in Sarajevo agierte, sieht Dodik derzeit aufgrund internationaler Haftbefehle stark eingeschränkt.
Der US-Senator Chuck Grassley hat Dodik mit dem syrischen Diktator Bashar al-Assad verglichen und darauf hingewiesen, dass Dodik derzeit, trotz seiner aktuellen Beziehungen zu Russland, mit einem begrenzten Handlungsspielraum konfrontiert ist. Inzko konstatiert: „Ich würde sagen, dass der Balkan momentan keine russische Priorität ist, jedoch beobachtet Russland die Entwicklungen mit einem kritischen Auge.“ Dodik hat auch Versuche unternommen, sich bei den USA zu profilieren, doch führten diese Bemühungen bisher nicht zu den gewünschten Ergebnissen, da die USA die Unverletzlichkeit der Grenzen Bosniens bekräftigen.
Auf die aktuelle Kriegsgefahr angesprochen, äußerte Inzko: „Ich gehe nicht von einer bewaffneten Auseinandersetzung aus, jedoch können kleine, begrenzte Zwischenfälle nicht ausgeschlossen werden.“ Er berichtet, dass viele Menschen im Land verunsichert sind und einige bereits bereit sind, ihre Koffer zu packen. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, vor allem, da es erst vor wenigen Jahren eine schwere humanitäre Krise gab.
Österreich hat sich in seiner Vorgehensweise in Bosnien-Herzegowina „sehr vorsichtig“ gezeigt und sendet Truppen nur dorthin, wo dies vom UNO-Sicherheitsrat genehmigt ist. Inzko zeigt sich dankbar für die klare Haltung der neuen österreichischen Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, die eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Bosnien betont hat. „Frieden am Balkan bedeutet auch Frieden in Österreich“, hebt Inzko hervor. Der Balkan müsse dringend als stabiler Raum erhalten bleiben.
Inzko zeigt sich skeptisch gegenüber Plänen, Bosnien durch eine rasche EU-Integration zu stabilisieren: „Die Bevölkerung würde dies verdienen, aber einige Politiker nicht“. Seiner Meinung nach könnte die massive Anwesenheit internationaler Kräfte entscheidend zur Stabilität beitragen. Ein gewaltiger Fehler sei zudem gewesen, internationale Richter vorzeitig abzuziehen. Diese Maßnahmen hätten erst nach einer umfassenden Stabilisierung des Landes erfolgen sollen.
In seiner Amtszeit hat Inzko die Institutionen wie den Verfassungsgerichtshof und die zentrale Wahlbehörde gestärkt und verteidigt. Zum Abschluss betont er: „Der Hohe Repräsentant braucht die Rückendeckung der internationalen Gemeinschaft, um seine Aufgaben effektiv erfüllen zu können.“ Die Herausforderungen in Bosnien-Herzegowina sind enorm, doch mit einer robusten internationalen Unterstützung kann ein stabiler Frieden in der Region möglich sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die politische Situation in Bosnien-Herzegowina weiterhin komplex und fragil ist. Die internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung, die Stabilität zu sichern und aggressive nationale Ambitionen zu unterbinden. Ein weiterer Rückschritt darf nicht zugelassen werden, um die Errungenschaften des Friedens, den die Region so dringend benötigt, zu wahren.