Das Fastentuch in der Pfarrkirche St. Nikolaus zu Halbenrain, gelegen in der malerischen Südoststeiermark, hat im Jahr 2023 seine Premiere gefeiert. Es wurde vor den Altar gehängt, um diesen während der Fastenzeit zu verhüllen.
Fastentücher, auch bekannt als Fastenvelum, Hungertuch, Passionstuch oder Schmachtlappen, haben eine lange Tradition in den katholischen Kirchen. Sie dienen dazu, bildliche Darstellungen Jesu, wie Kruzifixe, und/oder den Altar während der Fastenzeit zu verdecken. Diese Praxis hat ihren Ursprung im 12. und 13. Jahrhundert, wobei das Fastentuch ab dem 11. Jahrhundert genutzt wurde, um den Gläubigen den Blick auf den Altar zu versperren. Ab dem 15. bis 16. Jahrhundert begann man, die einst schlichten Tücher mit symbolischen Darstellungen der Passion auszustatten. Durch dieses Verhüllen fasten die Gläubigen auch „mit den Augen“, was das Fastentuch zu einem bedeutenden Zeichen der Besinnung und Enthaltsamkeit im Vorfeld des Osterfestes macht. Die Fastenzeit beginnt traditionell am Aschermittwoch und endet am Ostersamstag, wobei das Fastentuch am Karsamstag wieder entfernt wird.
Die Schüler*innen der Fachschule in Halbenrain haben sich eingehend mit dem Thema Fastenzeit beschäftigt. Im Religionsunterricht wurde das Thema behandelt und im Kreativunterricht entstand das Fastentuch, das seit 2023 den Altar der Pfarrkirche Halbenrain ziert. Unter der Leitung von Diplompädagogin Veronika Pfeifer wurde das Motiv durch mehrere kreative Schritte entwickelt. Dabei wurden die grundlegenden Themen „Loslassen, Verzichten und Fasten“ intensiv bearbeitet, was schließlich zu einem ausdrucksvollen Motiv auf dem Fastentuch führte, das von kräftigen Farben unterstrichen wird.
Das Fastentuch thematisiert den steinigen Weg des Verzichts sowie das Samenkorn, das in der Erde zu neuem Leben erblüht. Es symbolisiert den Weg ins Licht der Liebe und des Lebens. Die Erde empfängt bedingungslos das sterbende Korn und verwandelt es durch die Kraft der Liebe zurück in Leben.
Fastentücher haben nicht nur eine religiöse Bedeutung, sondern spiegeln auch kulturelle und kreative Ausdrucksformen wider. In vielen katholischen Regionen Europas ist das Fasten eine Zeit der Reflexion, Kreativität und Gemeinschaft. Die Gestaltung des Fastentuchs in Halbenrain ist ein Beispiel dafür, wie lokale Gemeinschaften Traditionen bewahren und gleichzeitig neue, kreative Wege finden, um Glaubenspraktiken lebendig zu halten.