Die 34-jährige Regisseurin Marie Schleef ist in Wien bekannt geworden durch ihre eindrucksvolle Inszenierung von Kate Chopins „Die Geschichte einer Stunde“ im Kosmos Theater. Für die vielfreisende Künstlerin, die als Kind und Jugendliche fast ein Jahrzehnt in Graz gelebt hat, bedeutet Wien ein Stück Heimat: „Wien ist für mich ein kleines Stück weit wieder wie Zuhause sein“, sagt sie. Ihre aufregende Reise führte sie mit 17 Jahren für zwei Jahre nach Swaziland, gefolgt von einem Aufenthalt in New York. Außerdem bereiste sie Südkorea und plant nun eine Reise nach Japan, wo sie „drei Monate lang mit einem Roboter leben“ wird.
Ihr Interesse an der koreanischen Literatur ist tief verwurzelt, wie sie im APA-Interview erklärt: „Die Literaturform ist extrem queerfeministisch.“ Schleef bedauert die fehlenden Übersetzungen ins Deutsche, denn es existieren zahlreiche Texte, die sie interessieren würden. Die Übersetzerin von „Die Vegetarierin“, Ki-Hyang Lee, hat fast alle deutschen Übersetzungen koreanischer Romane verantwortet und spielt somit eine Schlüsselrolle in der Verbreitung dieser Literatur.
Die Herausforderung, die extremen Bilder des Romans „Die Vegetarierin“ auf die Bühne zu bringen, ist groß. Schleef beschreibt: „Es ist sehr explizit. Es gibt explizite Nacktheit und extreme Gewalt, die im Roman jedoch oft mehr unterschwellig erzählt wird.“ Für ihre Bühnenfassung hat sie sich entschieden, die Handlung auf die direkte Rede zu beschränken, während die Prosa von der Bühnenbildnerin in deren Entwürfen integriert wurde. Die brutale Traumebene wurde auf die Video-Ebene ausgelagert – eine kreative Entscheidung, die für das Publikum eine neue Perspektive schaffen soll.
„Alles ist in Slow-Motion“, erklärt Schleef über ihre eigene Formsprache. „Wenn es Zeit und Luft zum Atmen gibt, können die Zuschauer viel mehr ihre eigene Geschichte hineininterpretieren.“ Die gemeinsame fascination für das langsame Bild ist auch inspiriert durch zahlreiche Interviews mit der Autorin Han Kang, die während der Nobelpreisverkündung erschienen sind.
Ein interessanter Einwand ist der, dass der Roman eigentlich „Die Veganerin“ heißen müsste. Diesen Gedanken lehnt Schleef vehement ab: Im Koreanischen gibt es keinen solchen Unterschied, und in Korea konsumiert man generell weniger Milchprodukte. „Der Titel ist nicht wörtlich zu nehmen. Es geht viel mehr um eine Frau, die Widerstand leistet, die nicht mehr Teil eines gewaltvollen Systems und einer patriarchalen Gesellschaft sein möchte“, erläutert sie. „Ein einfacher Verzicht auf Fleisch bringt bereits ihre gesamte Familie gegen sie auf.“ Der Roman thematisiert Kontrolle, Zwang und körperliche Selbstbestimmung und stellt die normative Gesellschaft in Korea in Frage.
Die feministische Theorie wird durch Han Kangs Werk erweitert. Anstatt den aus dem 19. Jahrhundert bekannten Ansatz zu verfolgen, dass eine Frau für ihre Freiheit Selbstmord begehen müsse, bietet Kang eine buddhistische Sichtweise: die Vorstellung, dass die Frau in einen neuen Zustand übergeht. „Ich glaube, wir müssen über eine neue Form der Selbstbestimmung sprechen“, betont Schleef.
Schleef hat ein bewährtes Team um sich versammelt: Die koreadeutsche Schauspielerin Kotti Yun, die bereits in Schleefs Kölner Inszenierung von Cho Nam-Joos „Kim Jiyoung, geboren 1982“ auftrat, wird in Wien die Hauptrolle als Yong-Hye übernehmen. Auch die Kostümbildnerin Ji Hyung Nam und die Bühnenbildnerin Lina Oanh Nguyễn, die bereits in früheren Projekten zusammengearbeitet haben, unterstützen sie erneut. Dieses Team hat Schleef geholfen, kulturelle Spezifika besser zu verstehen.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E – „Die Vegetarierin“ nach dem Roman von Han Kang im Akademietheater. Premiere am 9. Mai um 19:30 Uhr, Regie: Marie Schleef, Bühne: Lina Oanh Nguyễn, Kostüme: Ji Hyung Nam. Mit Kotti Yun, Ernest Allan Hausmann, Alexandra Henkel, Philipp Hauß, Jonas Hackmann, Hans Dieter Knebel und Dunja Sowinetz. Weitere Termine: 14. Mai, 2., 14., und 30. Juni.)
Zusammenfassend zeigt Schleefs Inszenierung von „Die Vegetarierin“ die komplexen Themen von Identität, Widerstand und Selbstbestimmung. Ihre innovative Herangehensweise kombiniert traditionelle Elemente mit modernen Techniken und macht das Stück zu einem bedeutenden Ereignis der Theaterlandschaft.
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