„#InitiativeWahlrecht“: Eine Bedrohung der Demokratie für Wiens Jugendliche


In Wien sind 35 Prozent der über 16-Jährigen von der kommenden Wien-Wahl ausgeschlossen. Besonders betroffen sind Jugendliche. Mit der Initiative „#InitiativeWahlrecht“ möchte der Verein Wiener Jugendzentren auf dieses bedenkliche Phänomen aufmerksam machen.

WIEN. „Ich bin hier geboren und habe mein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht“, erzählt der 19-jährige Daniel. „Ich möchte weiterhin hier leben, doch das allein reicht nicht.“ Daniel ist einer von zahlreichen jungen Menschen, die zwar schon lange in Wien wohnen, jedoch aufgrund fehlender Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht haben. Wien hat als das demografisch jüngste Bundesland Österreichs eine besondere Herausforderung, da hier vor allem junge Menschen von dieser Situation stark betroffen sind.

Bei der bevorstehenden Landtags- und Gemeinderatswahl am 27. April können 35 Prozent der Wienerinnen und Wiener über 16 Jahren nicht an der Wahl teilnehmen – ein alarmierender Rekord, der einen deutlichen Anstieg md seiner Berechtigten zeigt: Waren es im Jahr 2005 noch 17 Prozent, stieg dieser Anteil bis 2015 auf 24 Prozent und wird nun auf 35 Prozent geschätzt.

587.486 Wiener ohne Wahlrecht

„Demokratie lebt von der aktiven Teilnahme ihrer Bürgerinnen und Bürger“, sagt Manuela Smertnik, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Jugendzentren, während eines Medientermins. Über 587.486 Menschen in Wien, die älter als 16 Jahre sind, sind von der Wahl ausgeschlossen. Diese Anzahl übersteigt die Einwohnerzahl des Bundeslandes Salzburg (572.905 Einwohner). Während EU-Bürger in Wien zumindest an Bezirksvertretungswahlen teilnehmen dürfen, sind sie bei der Wahl zum Bürgermeister ausgeschlossen.

„Wir haben viele junge Menschen, die in einer Stadt leben, die sie als ihr Zuhause ansehen, doch sie können nicht mitbestimmen“, erklärt Smertnik. Dies betrifft besonders Kinder, die in Wien geboren wurden, aber aufgrund des Staatsbürgerschaftsrechts Österreichs keine Staatsbürgerschaft erhalten, solange ihre Eltern nicht österreichische Staatsbürger sind. Laut Politikwissenschaftler Gerd Valchars betrifft dies etwa jedes dritte Kind, das in Wien zur Welt kommt.

Staatsbürgerschaft als Hürde

Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht gehört zu den restriktivsten in Europa. Der Erwerb einer Staatsbürgerschaft bei der Geburt hängt ausschließlich vom Staatsbürgerschaftsstatus der Eltern ab. Kinder, deren Eltern keine österreichischen Staatsbürger sind, werden automatisch ohne Staatsbürgerschaft geboren. Um eine Staatsbürgerschaft zu erwerben, sind oft langwierige Prozeduren und hohe Kosten verbunden, die viele davon abhalten, den nächsten Schritt zu gehen. Ein Mindestaufenthalt von zehn Jahren und Einbürgerungsgebühren zwischen 1.360 und 2.766 Euro sowie ein Nachweis über Sprachkenntnisse sind einige der Anforderungen, die potenzielle neue Staatsbürger zu erfüllen haben.

Schwache Einbürgerungsquote

Eine internationale Studie, die 56 Staaten untersucht hat, zeigt, dass Österreich gemeinsam mit Bulgarien am unteren Ende des Rankings steht, was die Zugänglichkeit zur Staatsbürgerschaft betrifft. Mit einer Einbürgerungsquote von nur 0,7 Prozent, was bedeutet, dass nur sieben von tausend Nichtstaatsbürgern jährlich eingebürgert werden, ist die Situation besorgniserregend. Im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 2,6 Prozent.

Weniger Wahlberechtigte trotz Bevölkerungswachstum

Bei der letzten Wien-Wahl im Jahr 2020 stellte sich heraus, dass fast 30 Prozent der über 16-Jährigen keine Stimme abgeben konnten, eine alarmierende Mehrheit. Bis zur vorliegenden Wahl sind die Wahlberechtigten um 23.000 gesunken, obwohl die Stadt im gleichen Zeitraum um 100.000 Wahlberechtigte gewachsen ist, viele davon leben seit mehr als zehn Jahren in der Stadt.

Teilhabe fördern

Der Verein Wiener Jugendzentren ist der größte Anbieter von Jugendarbeit in Wien und hat vor zehn Jahren die „Initiative Wahlrecht“ ins Leben gerufen. Ihre Forderungen umfassen eine vereinfachte Erlangung der Staatsbürgerschaft für in Wien geborene und langjährige ansässige Menschen sowie die Ausweitung des Wahlrechts auf dauerhaft lebende Ausländer auf kommunaler Ebene.

Stimmen der Betroffenen

Einige betroffene Jugendliche berichteten während der Veranstaltung über ihre Erfahrungen. Die 17-jährige Yurdanur lebt seit neun Jahren in Wien und wollte einst Polizistin werden, wusste jedoch nicht, dass dies eine Staatsbürgerschaft erfordert. Daniel, 19, erzählt von seinen Schwierigkeiten durch die Ablehnung der Staatsbürgerschaft seiner Mutter: „Nur weil sie sich dagegen entschieden hat, darf ich nicht mitbestimmen in meinem eigenen Zuhause.“

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