Ermin war zehn Jahre lang abwechselnd obdach- und wohnungslos. Nun wurde er als Peer-Mitarbeiter im Neunerhaus ausgebildet und hilft während seines Praktikums selbstbetroffenen Personen.
WIEN/MARGARETEN. In jungen Jahren musste Ermin sein Zuhause verlassen. Zehn Jahre lang war er abwechselnd von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen. Heute, im Alter von 30 Jahren, hat er sein Leben wieder in den Griff bekommen und vor Kurzem seine Ausbildung zum Peer-Mitarbeiter im Neunerhaus abgeschlossen.
Der Verein „Neunerhaus“ bietet umfangreiche Hilfe für obdachlose und wohnungslose Menschen, darunter gesunde Mahlzeiten, ärztliche Untersuchungen und ein sicheres Schlafumfeld. Hilfesuchende können sich mit ihren Anliegen jederzeit an die Stellen des Neunerhauses wenden. Seit 2019 bilden der Fonds Soziales Wien (FSW) und das Neunerhaus ehemalige Obdach- oder Wohnungslose im Rahmen eines Zertifikatskurses zu Peer-Mitarbeitern aus, um betroffenen Personen auf Augenhöhe zu helfen.
Ermin hat während seiner Ausbildung zum Peer-Mitarbeiter ein Praktikum im Neunerhaus beim Mobilbetreuten Wohnen absolviert. „Zu Beginn war es komisch, da ich es gewohnt war, auf der anderen Seite des Tisches zu sitzen, bei den Wohnungssuchenden. Ich weiß, wie sich diese Personen fühlen, denn ich habe ähnliche Herausforderungen erlebt. Mich davon abzugrenzen, war am Anfang nicht einfach“, erzählt er im Gespräch.
Flucht von zu Hause
Die Flucht von zu Hause geschah, als Ermins Eltern seine Identität als schwulen Mann nicht akzeptierten. Um nicht gefunden zu werden, wechselte er die Schule. Krisenzentren, Jugendämter und betreutes Wohnen wurden zum Teil seines Alltags. „Du kommst nirgendwo zur Ruhe, du bist nirgendwo zu Hause – du bist, aber du bist irgendwie nicht“, beschreibt der 30-Jährige seine Erfahrungen während der Wohnungslosigkeit.
Nach einem Haftaufenthalt in Wien erreichte Ermin den Tiefpunkt seines Lebens und erkannte, dass er etwas ändern musste. Er fand Jobs in der Gastronomie und erhielt schließlich die Bewilligung von „Wobes“ für eine eigene Wohnung. Doch eine innere Leere blieb. Als er von dem Peer-Kurs im Neunerhaus erfuhr, wusste er sofort, dass dies der Weg für ihn ist.
Einen neuen Weg einschlagen
In der vergangenen Woche erhielt Ermin die Zusage für eine feste Anstellung im Neunerhaus im Campus. Er freut sich darauf, die Ausbildung zu betreuen, die ihm selbst so viele positive Impulse gegeben hat. Ein Satz eines Vortragenden während der Ausbildung – „Natur schafft keine Fehler, sondern Vielfalt“ – hatte ihn tief berührt und ihm geholfen, seine Selbstakzeptanz zu finden.
„Wenn du aufwächst, wo dir ständig gesagt wird, dass das, was du bist, falsch ist, glaubst du das irgendwann. Doch ich habe gelernt: Daheim sein ist kein Ort. Ich bin dort zu Hause, wo ich bin,” reflektiert er abschließend.
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