Seit 2023 ist Österreich zunehmend mit dem Phänomen von Kindern konfrontiert, die über den Familiennachzug von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten ins Land gekommen sind. Diese Kinder bringen oft eine Vergangenheit mit sich, die geprägt ist von Fluchterfahrungen und Aufenthalten in Lagern, beispielsweise in der Türkei oder im Libanon. Auf den ersten Blick zugleich erfreulich, bringt dieser Umstand jedoch erhebliche Herausforderungen mit sich. Viele dieser Kinder haben nur wenig oder gar keine schulische Vorerfahrung. Darüber hinaus fehlen ihnen nicht nur grundlegende Deutschkenntnisse, sondern auch wesentliche soziale Kompetenzen. Ein erschreckendes Detail ist, dass einige dieser Kinder nur teilweise oder gar nicht alphabetisiert sind. Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) betont in einer offiziellen Stellungnahme, dass diese Thematik insbesondere alle Ballungsräume des Landes betrifft.
Um diesen neuen Herausforderungen zu begegnen, wurden die Orientierungsklassen ins Leben gerufen. Das Ziel dieser speziellen Klassen besteht darin, den Kindern und Jugendlichen den Einstieg ins österreichische Schulsystem zu erleichtern. Hierbei werden sie in einem klassenähnlichen Verband unterrichtet. Die Schwerpunkte dieser Klassen liegen auf:
- Erwerb erster Deutschkenntnisse
- Wesentlichen Grundfertigkeiten für den Schulbesuch, wie beispielsweise das Halten von Stiften oder den Umgang mit der Schere
- Vermittlung von Werten und Grundsätzen des Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft, einschließlich Respekt, Gleichberechtigung, Toleranz, Verantwortung und Selbstbestimmung
Allerdings gibt es derzeit noch keine definitive Regelung darüber, wie lange die Kinder und Jugendlichen diese Orientierungsklassen besuchen sollen. Das Bildungsministerium plant eine gesetzliche Grundlage, die nach einem Begutachtungsverfahren im Parlament beschlossen werden soll. Dies geschieht auf Grundlage bereits existierender Vorarbeiten. Der Vorgänger von Wiederkehr, Martin Polaschek (ÖVP), hatte im Vorjahr Änderungen im Lehrplan angeregt, welche eine Nutzung dieser vorbereitenden Klassen für ein halbes Jahr oder länger ermöglichen sollten, ähnlich wie im Vorschulbereich.
Wiederkehr hebt die Dringlichkeit dieser Maßnahmen hervor: „In Ballungszentren sehen wir eine hohe Anzahl an Kindern, die einen besonders hohen Bedarf an Integrationsangeboten haben.“ Diese Klassen kommen nicht nur den neu zugewiesenen Schülern zugute, sondern auch den bereits in den regulären Klassen eingeschriebenen Kindern. Letztere profitieren davon, dass sie Mitschülerinnen und Mitschüler bekommen, die mit den gemeinsamen Regeln vertraut sind und sich besser im Unterricht zurechtfinden können.
Einige Projekte zu Orientierungsklassen werden bereits in Wien und Vorarlberg umgesetzt. In Wien hat Wiederkehr als damaliger Bildungsstadtrat vor etwas mehr als einem Jahr das Modell eingeführt. Diese Klassen dauern in der Regel zwei Monate und bisher haben über 500 Kinder an einer Orientierungsklasse teilgenommen. Aktuell gibt es in Wien zwölf solcher Klassen an zwei Standorten. Zunächst werden die schulischen Vorerfahrungen, die Alphabetisierung und andere relevante Informationen der Kinder erfasst. Zusätzlich wird ein spezielles Angebot für Eltern bereitgestellt, um sie über den Schulbesuch zu informieren und einzubinden. Wie die Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (NEOS) feststellt, dient diese Vorbereitung auch der Unterstützung der Schulen bei der Integration neuer Schülerinnen und Schüler.
In Vorarlberg wird das Pilotprojekt „Lernraum Schule und Kultur“ seit Herbst 2024 umgesetzt. Hier nehmen rund 40 nicht alphabetisierte und mit dem österreichischen Schulalltag un vertraute Kinder an speziellen Deutschförderklassen teil, während sie Sport-, Werk- und Musikunterricht weiterhin an ihrer Stammschule besuchen, um den sozialen Kontakt zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aufrechtzuerhalten. Nach Bestehen des MIKA-D Tests, der über die Zuweisung zu einer Deutschförderklasse entscheidet, sollen sie in die Stammschule zurückkehren. Landesrätin Barbara Schöbi-Fink berichtet von durchweg positiven Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt und betont, dass dies eine große Chance für die Schüler darstellt und gleichzeitig die Stammschulen entlastet. In den kommenden Monaten wird von der Bildungsdirektion ein zusätzlicher Standort geprüft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einführung von Orientierungsklassen ein wichtiger Schritt zur Integration und Unterstützung von geflüchteten Kindern in Österreich ist. Durch maßgeschneiderte Programme und Angebote für Eltern wird ein solides Fundament gelegt, um den neuen Schülern nicht nur erfolgreiche schulische Leistungen, sondern auch die notwendige soziale Integration zu ermöglichen. Diese Initiativen sind essenziell, um eine positive Zukunft für alle beteiligten Kinder zu schaffen.
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