„An manchen Tagen vermittelt er Hoffnung – an anderen Tagen erscheint er mir wahnsinnig sarkastisch angesichts der Gegenwart“, erläutert Dirk von Lowtzow im APA-Gespräch den Albumtitel. Die verwendete Zackenschrift „irgendwo zwischen Crust Punk und Black Metal“ veranschaulicht diesen Zwiespalt. „Uns interessieren immer Dinge, die schillern und ihre Farbe je nach Licht wechseln.“
Tocotronic – bestehend aus:
- Dirk von Lowtzow (Gesang, Songschreiber)
- Jan Müller (Bass)
- Arne Zank (Schlagzeug)
Die Band existiert seit über drei Jahrzehnten. Mit ihren verspielten Rockmusik und intellektuell fundierten Texten haben sie den Popdiskurs im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt. In den 90ern waren sie die Posterboys der Hamburger Schule und lieferten mit Songs wie „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ und „Let There Be Rock“ prägnante T-Shirt-Slogans. Später wurden die Lyrics feinsinniger, und die Musik vielschichtiger, was auch mit Gitarrist und Keyboarder Rick McPhail zu tun hatte, der 2004 zur Band stieß und 2022 aus persönlichen Gründen vorübergehend ausstieg.
McPhail hat jedoch an „Golden Years“ noch mitgewirkt. Das Album enthält 12 Stücke und vermittelt, ähnlich wie der Vorgänger „Nie wieder Krieg“, einen sehr persönlichen Eindruck. „Es ging uns darum, intime Situationen zu beschreiben. Gleichzeitig gibt es einen Dialog zur Gegenwart, die sich ständig verändert und disruptiv ist“, erklärt von Lowtzow.
Obwohl ein klarer roter Faden fehlt, gibt es einige Grundthemen in dieser Arbeit, darunter:
- Vergänglichkeit
- Der Tod
- Die Feier des Lebens
- Isolation und Einsamkeit
Diese Themen spiegeln sich in Songs wie „Der Tod ist nur ein Traum“, „Bleib am Leben“ und „Mein unfreiwillig asoziales Jahr“ wider. Von Lowtzow hofft, dass die neuen Songs „eine seismografische Qualität“ haben, insbesondere bei jüngeren Menschen, die verstärkt über Einsamkeit und den Tod nachdenken.
Musikalisch bewegt sich die Band gewohnt zwischen Rock und Ballade, mit überraschenden Momenten in Titeln wie:
- „Golden Years“ (nostalgisch)
- „Bye Bye Berlin“ (gut gelaunter Abgesang)
- „Niedrig“ (mit Spaghetti-Western-Sound)
Ein bemerkenswerter politischer Protestsong ist „Denn sie wissen was sie tun“, der sich kritisch mit Gefahren von extremistischen Bewegungen auseinandersetzt. „Es gibt Ereignisse, die Impulse auslösen. Insbesondere die Umfrageergebnisse für die AfD im Sommer 2023 hielten uns dazu an, darüber nachzudenken“, erinnert sich von Lowtzow. Das Lied könnte sowohl tagespolitisch als auch allgemein gegen Niedertracht gelesen werden.
Tocotronic’s Lösungsansatz gegen destruktive Fiesheiten ist skurril: „Darum muss man sie bekämpfen / Aber niemals mit Gewalt / Wenn wir sie auf die Münder küssen / Machen wir sie schneller kalt.“ Diese paradoxen Bilder zielen darauf ab, eine poetische Kraft zu entfalten und gleichzeitig einen bösen Witz zu kreieren – eine durchaus effektive Waffe gegen Faschismus.
Die Musik von Tocotronic speist sich nicht nur aus biografischen Erfahrungen, sondern auch aus:
- Referenzen
- Filmen
- Literatur
- Theorie
- Bildender Kunst
Live werden Tocotronic das Album „Golden Years“ während ihrer anstehenden Tour präsentieren. Am 22. März treten sie im Wiener Konzerthaus auf, an dem vorerst einzigen Österreich-Termin. Dirk von Lowtzow feiert am 21. März seinen 54. Geburtstag und merkt an: „Je oller, je doller! Da geht schon einiges, auch wenn ich vielleicht in der Vergangenheit etwas zu viel gefeiert habe.“
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E – )
Zusammenfassung: Tocotronic bleibt relevant mit ihrem Album „Golden Years“, das intime und gesellschaftskritische Themen behandelt. Die Band kombiniert nostalgische Klänge mit modernen Anliegen und wird in Kürze live auftreten. Die fortwährende Auseinandersetzung mit der Gegenwart und Reflexion über gesellschaftliche Veränderungen prägt ihr Schaffen.
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