„Wackelkontakt: Entdecke den perfekten Slalomrhythmus!“


APA: Herr Haas, in der österreichischen Innenpolitik gibt es kaum einen Tag, an dem nicht eines Ihrer berühmtesten Zitate in Erinnerung bleibt: „Jetzt ist schon wieder was passiert …“

Wolf Haas: Die häufigkeit dieses Satzes spiegelt die sich zuspitzende politische Lage wider. In den letzten Jahren wurde er häufig in „Zeit in Bild“-Sendungen zitiert, sogar vom Bundespräsidenten gehört. Nach dem Parteiaustritt von Franz Fischler bleibt dazu nicht mehr viel zu sagen.

APA: Ein passendes Zitat eines großen Kollegen von Ihnen wäre „Zu Hitler fällt mir nichts ein“ von Karl Kraus. Kanzler Kickl wird von vielen als Worst-Case-Szenario wahrgenommen. Hat Österreich nun das bekommen, was es verdient?

Haas: Es wäre einfach, die üblichen Nachlässigkeiten der Österreicher gegenüber ihrer Geschichte verantwortlich zu machen. Aber traurigerweise verschiebt sich die Welt nach rechts.

APA: Woran liegt das?

Haas (denkt nach und lacht): Das ist ein Thema für meine nächste Dissertation …

APA: Diese würde vermutlich einen anderen Titel tragen als Ihre erste, die sich mit „sprachtheoretischen Grundlagen der Konkreten Poesie“ beschäftigte. Kann man rechten Parteien mit Sprachkritik begegnen?

Haas: An der FPÖ sieht man, dass man die Sprache als Frühwarnsystem nutzen kann.

APA: Allerdings scheint das bei vielen nicht ausreichend zu sein.

Haas: Ja, das stimmt.

APA: Kommen wir zu Ihrem neuen Buch: Die Hauptfigur in „Wackelkontakt“ heißt Franz Escher, was an den Zeichner M. C. Escher erinnert, bekannt für seine Vexierbilder und optischen Täuschungen. War das beabsichtigt?

Haas: Ich habe ihm absichtlich einen urösterreichischen Vornamen gegeben: Franz. Das soll ein wenig ablenken.

APA: War das Spiel mit der Spiegelung – die Idee, zwei Bücher in eins zu schreiben und ständig zwischen diesen zu wechseln – der Ausgangspunkt für das Werk?

Haas: Die ursprüngliche Idee war einfach und existierte schon lange. Ich wollte die unausgesprochenen Regeln des Romanschreibens brechen. Der Plan war, ein konventionelles Buch zu beginnen, und dann wird die Hauptfigur beim Lesen eines anderen Buches gezwungen, das Buch zu lesen. Das spiegelt eine Alltagserfahrung wider, etwa in der Straßenbahn die Zeitung einer anderen Person zu lesen. Es hat diese intime Note … Der Rest entwickelte sich beim Schreiben ohne festen Plan.

APA: Wurden Anpassungen erforderlich, um alles zusammenzubringen?

Haas: Nein, ich hatte beim Schreiben nie das Gefühl, dass ich scheitere. Der unrealistische Ansatz macht den Kern des Buches aus – zwei Personen lesen, wobei einer in die Zukunft blickt. Das interessiert mich beim Schreiben am meisten: einen Sog zu erzeugen, sodass die Frage der Realität nicht mehr im Vordergrund steht.

APA: Sie haben viele Übergänge eingefügt, wo zwischen den Büchern gewechselt wird. Ihre Figuren lesen, um sich abzulenken, die Zeit zu vertreiben oder einzuschlafen. Damit propagieren Sie: Ein Buch hilft in allen Lebenslagen.

Haas: Mir ging es nicht nur um die Bücher, sondern um den richtigen Rhythmus. Man hört oft, dass beim Skifahren der Schwung im richtigen Moment angesetzt werden muss. Bei diesem Buch habe ich viel Energie auf das Timing verwendet.

APA: Die Themen sind vielfältig: Mafia, Puzzles, Trauerreden, Kunstgeschichte … es wirkt bunt zusammengewürfelt.

Haas: Es geht nicht um die Mafia, sondern um einen Menschen im Zeugenschutz. Das Thema beschäftigt mich seit langem. Ich habe ein Notizbuch, auf dem „Der Zeuge“ steht. Jemand im Zeugenschutz hat eine interessante Identität, weil sie falsch ist. Diese Thematik ist extrem spannend für einen Roman, insbesondere das Lernen einer neuen Sprache. Ich mag Kleists „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“, das auch den Brenner betrifft: Durch Gespräche Struktur in die Realität bringen … Die Puzzles symbolisieren das gleiche: Der eine nutzt Sprachbausteine, der andere Bildbausteine, um sich ein Bild der Welt zu machen. Das war auch eine Art Selbstporträt für mich.

APA: Ich empfinde beim Puzzeln Ambivalenz: Es ist faszinierend, doch denkt man oft, es gibt Sinnvolleres.

Haas: Genau! Das Schreiben ist ähnlich. Man arbeitet zwei, drei Stunden und denkt danach: Das war’s wohl nicht.

APA: Das klingt nach Understatement eines Erfolgsautors. Wann sind Sie zuletzt beim Schreiben gescheitert?

Haas: Scheitern gehört zum Alltag. Der Vorteil ist, dass man am Ende die gelungenen Teile zusammenfügt. Ich glaube nicht, dass ich ohne den Computer schreiben könnte; das Überarbeiten macht den Großteil meiner Arbeit aus. Oft muss man sich hinsetzen, um Fortschritte zu erzielen.

APA: Das bringt uns fast Escher-artig zum Anfang zurück: Immer wieder neu anfangen, um nicht zu scheitern. Wäre das nicht auch das richtige Rezept für die Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und NEOS gewesen?

Haas: Das kleine Kind in mir denkt: Vielleicht setzen sie sich doch noch einmal zusammen. Aber das wird wohl nicht geschehen.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E – Wolf Haas: „Wackelkontakt“, Hanser, 240 Seiten, 25,70 Euro; Lesungen: 15.2. im Schauspielhaus Graz, 16.2. in der Szene Salzburg, 20.2. im Treibhaus Innsbruck, 21.2. im Posthof Linz und 28.2. im Volkstheater Wien)

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