Vor genau 30 Jahren begann das Ende von Konsum Österreich, als das Unternehmen, einst führend in der heimischen Wirtschaft, vor der größten Insolvenz in der Nachkriegsgeschichte stand. MeinBezirk bietet einen historischen Rückblick auf den „roten Riesen“.
WIEN. Im Frühling 1995 dominierte das Lied „Old Pop in an Oak“ von Rednex die österreichischen Single-Charts, während die Tageszeitung „Standard“ ihren Online-Dienst startete. Gleichzeitig standen die Wiener Bürger vor den Türen von Konsum, einer der größten Supermarktketten des Landes, um ihren täglichen Einkauf zu erledigen. Doch am 8. März 1995 geschah das Unfassbare: In einer Krisensitzung drehten die Banken dem Handelskonzern den Geldhahn zu, was das große Ende für Konsum einläutete. Mit 17.000 Mitarbeitern und über 1.000 Standorten erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 30 Milliarden Schilling (rund 2,2 Milliarden Euro) und sah sich gleichzeitig mit 26 Milliarden Schilling an Schulden konfrontiert. Dies markierte die größte Insolvenz der Nachkriegszeit in Österreich, die erst 2013 durch die Pleite von Alpine übertroffen wurde.
140 Jahre Geschichte
Konsum, auch bekannt als der „Rote Riese“, war lange Zeit ein Symbol für die heimische Handelslandschaft. Laut dem Kreditschutzverband (KSV) 1870 hielten Insolvenzexperten im April 1995 Berge von Akten mit Namen und Adressen von Tausenden von Gläubigern und Lieferanten, die mit dem einstigen großen Arbeitgeber verbunden waren. Im Jahr 1856 wurde Konsum als Selbsthilfeverein niederösterreichischer Textilarbeiter in Teesdorf gegründet, um die negativen Folgen von Preiserhöhungen abzufedern. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Unternehmen dank gewerkschaftlicher Unterstützung einen Aufstieg zum bedeutenden Handelskonzern.
„Dritte Säule der Arbeiterbewegung“
In den 1970er-Jahren wurde die Miserables Lage mancher Regionalgenossenschaften im Unternehmen kritisch. Dies führte zur Gründung der Konsum Österreich GmbH im Jahr 1978, was als Notfusion vieler angeschlagener Genossenschaften verstanden werden kann. Trotz einer kurzen Erholungsphase in den 1980er-Jahren erlitten die Finanzen von Konsum Rückschläge, so dass enorm hohe Schulden durch Fehlinvestitionen wie den Bau eines Zentrallagers in Hirschstetten anstiegen.
Für die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) galt Konsum als die „dritte Säule der Arbeiterbewegung“, im Gegensatz zu Partei und Gewerkschaft. Fast jeder Gemeindebau hatte eine Filiale von Konsum, die auch Drogerien, Bäckereien und Traditionskaufhäuser wie „Steffl“ und „Gerngross“ umfasste.
Konflikte und der letztendliche Zusammenbruch
In den frühen 1990er Jahren verstärkten sich die Wettbewerbseinflüsse durch aufstrebende Marken wie Billa und Meinl, während die Erscheinung der Konsum-Filialen als veraltet wahrgenommen wurde. Ein Versuch zur Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Migros scheiterte, da Konsum-Management den Einblick in die Unternehmenszahlen verweigerte. Am 9. März 1995 meldeten Konsum Österreich und seine 22 Tochtergesellschaften Insolvenz an.
Das ganze Unternehmen hatte am Ende Schulden in Höhe von 17,4 Milliarden Schilling (umgerechnet 1,26 Milliarden Euro), betroffen waren unglaubliche 3.350 Lieferanten und 700.000 Genossenschafter. Der Konkurs war der Beginn eines radikalen Wandels im österreichischen Handelssektor, wo die von Konsum betriebenen 630 Filialen an Konkurrenten übertragen wurden.
Konsum lebt weiter
Trotz des Zusammenbruchs verschwand der Name Konsum nicht völlig. Ab 1996 m erbauten neue Führungsstrukturen eine neue Marktpräsenz und führten das Unternehmen unter dem Namen „OKAY Team eingetragene Genossenschaft“. Heute sind „Okay-Reiseproviant“-Filialen in Ostösterreich präsent, was zeigt, dass die Ära Konsum in gewisser Weise weiterlebt.
Für die jüngere Generation, die mit dem genannten Lied nicht vertraut ist, gibt es hier auch das passende Musikvideo:
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