Zuckerkoalition: Wiener Politik auf der Suche nach Antworten nach dem Ende der Verhandlungen im Bund


Die Neos haben am Freitag die Gespräche zur Dreierkoalition mit ÖVP und SPÖ für beendet erklärt. Erste Wiener Parteichefs äußerten sich bereits gegenüber MeinBezirk zum Verhandlungs-Aus. Einige Landesvertreter der beteiligten Parteien sind noch auf der Suche nach Antworten.

Aktualisiert am 3. Jänner um 22.03 Uhr

WIEN. Vor einigen Tagen zeigte sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) noch zuversichtlich über den Fortschritt der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ und den Neos. Doch am Freitagvormittag um 10.57 Uhr kam die offizielle Nachricht: Die Neos ziehen sich aus den Verhandlungen zurück.

Erste Spekulationen entstanden nach einer kurzfristigen Ankündigung einer Pressekonferenz. Bei dieser Runde informierte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger darüber, dass man bereit war, Veränderungen im Land zu bewirken. Noch am Donnerstagabend wurden Vorschläge präsentiert, aber es gab „keine Fortschritte, lediglich Rückschritte, die darauf hindeuten, dass man nur bis zum nächsten Wahltag denkt“.

Der Moment, als Meinl-Reisinger (l.v.) das Aus der Verhandlungen bekannt gibt. Im Hintergrund ganz rechts: Wiens Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr. | Foto: MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

Die „nötige Entschlossenheit für neue Wege“ fehlte, und es gab „mehrfach ein Nein“ zu Reformen. Die Neos sagen jedoch „nicht Nein zur Verantwortung“, weshalb die Vorschläge weiterhin auf dem Tisch liegen. Darüber wurden Nehammer, SPÖ-Parteichef Andreas Babler und Bundespräsident Alexander Van der Bellen informiert. Meinl-Reisinger bedankte sich in ihrer Rede beim Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten, jedoch nicht beim SPÖ-Chef. Mehr dazu unten.

Reaktionen zunächst verhalten

Das politische Wien bleibt bislang zurückhaltend. Ein Rundruf von MeinBezirk bis 13.30 Uhr ergab, dass die Wiener SPÖ sich nicht äußern möchte, bevor sich das Bundesgremium dazu äußert. Laut Informationen von MeinBezirk war Babler um 12.30 Uhr beim Bundespräsidenten zum Gespräch eingeladen.

In einem ersten Statement erklärte jedenfalls Bundes-SPÖ-Geschäftsführer Klaus Seltenheim, dass die Neos nicht bereit seien, „Verantwortung für Österreich zu übernehmen“. Die Pinken wollten Pensionskürzungen und Einschnitte für Arbeiter. „Wir waren und sind kompromissbereit, doch die Neos haben sich keinen Millimeter bewegt.“ Auch gab es Kritik an ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, der das Verhalten „von Teilen der SPÖ“ für die derzeitige Situation verantwortlich machte. „Zu behaupten, die SPÖ schiebe den Schwarzen Peter zu, ist völlig absurd“, kommentierte Seltenheim die Aussage der ÖVP.

Ludwig mahnt Verantwortung ein

Erst am späten Freitagabend äußerte sich Wiens Parteichef und Bürgermeister Michael Ludwig. In „schwierigen Zeiten“ gelte es, Kompromisse einzugehen und Verantwortung zu übernehmen. In einem Posting auf X machte Ludwig deutlich, dass eine Regierung mit der FPÖ, insbesondere unter Herbert Kickl, nicht die Lösung für eine „tragfähige Zukunft“ darstellt. Dies sieht auch SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak ähnlich: „Die FPÖ ist keine rechtspopulistische, sondern eine rechtsextreme Partei!“. Es sei an den demokratischen Kräften, alles daran zu setzen, damit zeitnah eine funktionierende Bundesregierung entsteht. „Die SPÖ ist sich ihrer Verantwortung bewusst – die Volkspartei hoffentlich auch!“, so Ludwig und Novak einhellig.

Mahrer appelliert an „SPÖ-Vernünftige“

ÖVP Wien-Parteiobmann Karl Mahrer erklärte gegenüber MeinBezirk, dass die Sozialdemokraten Österreich im Stich gelassen hätten: „Leider haben die links-linken Kräfte um Andreas Babler, die auch in der Wiener SPÖ bedeutende Unterstützer haben, derzeit die Oberhand in der Sozialdemokratie – damit treiben sie die SPÖ in die Handlungsunfähigkeit. Österreich braucht jetzt eine Regierung, die Probleme löst, statt Ideologiekriege zu führen“. Mahrer fordert die SPÖ „dringend“ auf, personelle und inhaltliche Konsequenzen zu ziehen, denn „die Vernünftigen in der Sozialdemokratie müssen jetzt Verantwortung für unser Land übernehmen“.

Nepp kritisiert Nehammer scharf

Kritik kommt auch aus dem freiheitlichen Lager, doch ohne die SPÖ zu erwähnen. FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp wetterte gegenüber MeinBezirk gegen den Bundespräsidenten und Nehammer. Van der Bellen sei für „dieses Chaos, das in 100 Tagen entstanden ist“, verantwortlich. „Ich bin überzeugt, dass die schwarzen Landeshauptleute jetzt in die Pflicht genommen werden müssen und Nehammer zum Rücktritt bewegen müssen. Nehammer darf nicht länger fragwürdige Koalitionsspielchen treiben, die Österreich nachhaltig schaden. Die Zeit für weitere Experimente ist endgültig vorbei.“

Dominik Nepp meldete sich als erster Wien-Politiker öffentlich zu Wort. (Archiv) | Foto:  GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Die Wiener Neos lehnen jede Wortmeldung ab und werden sich, ebenso wie das Büro von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, der ebenfalls Teil der Gespräche war, diese Woche nicht mehr äußern. Auch das Büro von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wollte sich am späten Freitagvormittag nicht auf Anfrage äußern.

Strache mit Vorschlag, Grüne kritisieren Neos

Die Grünen Wien äußerten sich ebenfalls. Auf X kritisierten sie die Neos: „Es ist völlig unverständlich, monatelang zu verhandeln und dann vor der Verantwortung davonzulaufen. Unsere Kinder, die Natur, Unternehmerinnen und Unternehmer – sie alle brauchen verantwortungsvolle Politik. Es geht auch darum, eine rechtsextreme Partei in der Regierung zu verhindern“, zitiert man Parteichefin Judith Pühringer. Zudem seien die Neos offenbar nicht bereit, (zu Kompromissen, Anm. Red.) einzugehen und hätten viel Vertrauen verspielt.

Ex-Vizekanzler und ehemaliges FPÖ-Mitglied Heinz-Christian Strache (Team HC) äußerte auf X, dass die Freiheitlichen nun ein Angebot an die Volkspartei machen müssten. Aktuell gibt es bereits fünf Landesregierungen zwischen FPÖ und ÖVP sowie einen FPÖ-Landeshauptmann in der Steiermark und vier Stellvertreter der FPÖ in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg, die „gut mit der VP zusammenarbeiten“. Bundes-FPÖ-Chef Herbert Kickl sollte nun „jemanden aus diesem Kreis als möglichen FPÖ-Kanzler vorschlagen“, so Strache.

Das könnte dich auch interessieren:

NEOS steigen aus Regierungsverhandlungen aus

Die FPÖ könnte aus dieser Situation Vorteile ziehen



Source link

Beitrag teilen