Zukunftsforscher: „Moralische Appelle sind bei der Verkehrswende nicht zielführend“


In der neuen Serie „Verkehrszukunft Graz“ widmet sich MeinBezirk den Herausforderungen der Mobilitätswende. Im ersten Teil haben wir mit Zukunftsforscher Reinhold Popp und Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) über Wünsche, Widerstände und Vorbilder gesprochen.

GRAZ. Im Grazer Straßenverkehr gibt es wenig Zufriedenheit. Die Notwendigkeit eines Wandels ist vielen bewusst, jedoch fällt es schwer, eingetretene Gewohnheiten zu ändern. Insbesondere Pendler beklagen fehlende Alternativen, die einen nachhaltigen Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel (ÖVM) schwierig machen. Oftmals sind es auch finanzielle Hürden und der Zeitaufwand, die dem umweltfreundlicheren Arbeitsweg im Weg stehen, erklärt der Zukunftsforscher und Psychologe Reinhold Popp. „Wenn ich mit dem Auto schneller und günstiger zum Ziel komme, ist die Entscheidung klar“, ergänzt er.

Zukunftsforscher und Psychologe Reinhold Popp: "Der erhobene Zeigefinger allein wird bei der Verkehrswende nicht helfen." | Foto: Christian Schneider

„Der erhobene Zeigefinger allein wird nicht helfen“, ist Popp überzeugt. „Wenn die Verkehrswende erfolgreich sein soll, muss die Politik umfassende Maßnahmen ergreifen und den Menschen nicht einfach moralische Verpflichtungen auferlegen.“ Diesbezüglich erwähnt er auch finanzielle Blockaden: „In Österreich nimmt der infrastrukturelle Ausbau zwar Fahrt auf, doch aufgrund der Budgetnöte auf Bundes- und Landesebene kann er nicht so schnell erfolgen, wie es wünschenswert wäre.“

Popp betont die Notwendigkeit von Geduld: „Man muss realistisch bleiben, um die üblichen Innovationswiderstände nicht zusätzlich zu verstärken. Letztendlich will niemand im Stau stecken bleiben.“

Steigende Einwohnerzahlen in Graz und Umgebung

Laut offiziellen Statistiken gibt es in Graz über 300.000 registrierte Hauptwohnsitze, was einem Anstieg von etwa 60.000 Einwohnern in den letzten zwei Jahrzehnten entspricht. „Ein einfaches ’Weiter wie bisher’ ist nicht mehr möglich“, kritisiert Christian Gratzer vom VCÖ. Immer mehr Menschen siedeln sich nicht nur in Graz, sondern auch im Umland an, was die Verkehrssituation weiter belastet.

Graz und Umgebung bildet den nach Wien den zweitgrößten Ballungsraum in Österreich.  | Foto: Johannes Ulrich

Gratzer kennt die Wünsche der Bürger und betont: „Die Menschen möchten eine saubere und leisere Mobilität in ihrer Stadt.“ Daher sei es wichtig, den Verkehr aus dem Umland in die Stadt stärker auf öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern, um die Lebensqualität zu verbessern und Staus zu reduzieren.

Vorbilder im europäischen Verkehr

Gratzer bezieht Optimismus aus den Erfolgen anderer europäischer Städte. „Schweizer Städte haben bewiesen, dass ein gutes öffentliches Verkehrsangebot die Mehrheit der Pendler motiviert, Bahn oder Bus zu nutzen.“ Auch die Niederlande zeigen, wie durch weniger Parkplätze für Autos Platz für Radverkehr geschaffen werden kann. Das Beispiel Kopenhagens verdeutlicht, wie Radschnellverbindungen den Autoverkehr reduzieren können. Zudem bietet Bremen wertvolle Ansätze im Bereich Carsharing.

Die Herausforderung bleibt jedoch die Auslastung der Fahrzeuge: Viele Autos, die unterwegs sind, haben nur einen Fahrer, was signifikante Auswirkungen auf den Verkehr hat.

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